Ralf Müller (links) und Carsten Indorf sind Klimaschutzmanager für die Kirchenkreise Celle, Walsrode und Soltau. Ihnen soll gelingen, was die Landeskirche Hannover vorgegeben hat: die Reduzierung der Treibhaus-Gas um 80 Prozent bis zum Jahr 2035. Dafür, sagen die beiden Experten, braucht es die Tatkraft und die Ideen aus den Gemeinden. Im Interview sprechen sie über große Ziele, nachhaltige Innovationen und den Weg in eine bessere Zukunft.
Ralf Müller, Carsten Indorf, seit Oktober 2023 arbeiten Sie als Klimaschutz-/Energiemanager im Kirchenamt Celle. Wie genau muss man sich Ihre Jobs vorstellen?
Ralf Müller: Unsere erste Aufgabe ist es, ein Klimaschutzkonzept für die Kirchenkreise Celle, Walsrode und Soltau zu erstellen. Grundlage dafür ist das landeskirchliche Klimaschutzgesetz, welches vorsieht, die Treibhausgas-Emissionen in der Landeskirche Hannover im Vergleich zu den Werten von 2023 bis 2035 um 80 Prozent zu senken. Das ist sportlich.
Was ist für die Erstellung des Konzepts nötig?
Carsten Indorf: Wir müssen erst einmal untersuchen, was unsere Emissionswerte genau sind und woher sie kommen. Allein in unseren drei Kirchenkreisen gibt es über 300 Immobilien, die Wärme und Strom verbrauchen. Dazu die Mobilität unserer Mitarbeiter*innen, die allerdings etwas schwerer zu fassen ist.
Nimmt die evangelische Kirche in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle ein?
Indorf: Zumindest hat die Landeskirche ihre Ziele im Vergleich zur Politik ganz klar formuliert. Wir argumentieren ja auch aus dem Schöpfungsauftrag heraus und setzen uns nicht erst sei gestern dafür ein, Ressourcen zu schonen. Nachhaltig handeln, sparsam agieren, das ist längst in vielen Gemeinden Standard.
Müller: Die Liste der Maßnahmen ist lang: Biodiversitätsentwürfe für Friedhöfe, Streuobstwiesen, Aufrufe, um Energie zu sparen. Allerdings ist das sehr häufig auf lokaler Ebene und eher sporadisch passiert, es fehlte bislang an einer allgemeinen Koordination, die Effekte sind dadurch weniger messbar. Die Idee des Schutzkonzeptes ist es, all die Maßnahmen zu strukturieren und damit in die Breite zu tragen. Wir wünschen uns, dass dadurch noch mehr Vernetzung zwischen den Gemeinen passiert und sich gute Ideen weitertragen.
Sie stehen erst am Anfang Ihrer Arbeit. Wie fiel die Resonanz bislang aus?
Indorf: Sehr positiv. Viele Gemeinden freuen sich, dass sie mit uns nun konkrete Ansprechpartner für ihren Einsatz und ihre Projekte haben. Jetzt geht es auch darum, mit unserer Arbeit an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir wollen dabei helfen, dass sich die Mitarbeiter*innen und Menschen in unseren Gemeinden vernetzen, gemeinsam in den Austausch gehen. Unsere Aufgabe wird es sein, eine Systematik zu entwickeln, die dabei unterstützen kann.
Um welche Kernfragen geht es dabei?
Müller: Wie können wir weniger verbrauchen? Wie sparen wir Emissionen ein? Was kann ich weglassen, was ich bisher benötigt habe? Was kann ich technisch besser machen? Wie können wir Energie besser transformieren? Und wie gelingt es uns, Strom und Wärme selbst zu erzeugen?
Indorf: Was schon kleine Maßnahmen bewirken können, zeigen die Folgen der Aufrufe im Zuge der Energiekrise, die Temperaturen in den Gebäuden zu reduzieren. 2022 haben wir damit gegenüber 2021 500 Tonnen Co2 eingespart. Ein toller Erfolg, der allerdings auch zeigt, was passiert, wenn hinter solchen Maßnahmen keine Systematik steckt. Jetzt, wo die Energiekrise und die Folgen des Ukraine-Krieges nicht mehr so in den Köpfen sind, wird auch nicht mehr so nachhaltig gespart. Wie also schaffen wir eine Basis mit Langzeitwirkung?
Wie kommen Sie an die entscheidenden Informationen aus den Kirchenkreisen?
Indorf: Zum Beispiel über die Rechnungen der jeweiligen Energielieferanten. Die werden in Zukunft für alle Gebäude über unsere Tische wandern. Für Immobilien, für die es keine Daten gibt, werden wir Schätzungen machen.
Müller: Außerdem planen wir Vernetzungstreffen, damit die Gemeinden ihre bestehenden Projekte präsentieren können und wir all die tollen Ideen einsammeln, die es bereits zu dem Thema gibt. Nachhaltige Maßnahmen können nur durch die Mithilfe der Gemeinden entstehen. Unser Fernziel muss lauten: Kirche als Energielieferant. Uns stehen gewaltige Dachflächen zur Verfügung, außerdem sehr viele Ländereien. Sicherlich wäre es eine Idee, einer Energiegenossenschaft beizutreten, was auf lange Sicht die Haushalte massiv entlasten könnte.
Kirchengebäude sind oft sehr alt und entsprechend wenig energetisch gebaut. Stellt das ein Problem dar?
Indorf: Der Denkmalschutz ist ein Faktor, aber mit dem müssen wir umgehen. Es gibt auch dafür spezielle Lösungen, zum Beispiel bei der Sanierung von Kirchenfenstern oder der Isolierung von hohen Decken. Wir müssen in vielen Bereichen neu denken. Zum Beispiel, ob es nicht sinnvoll wäre, den Besucher*innen im Gottesdienst aufladbare Sitzkissen anzubieten, statt ganze Bankreihen zu beheizen. Innovation bietet viel Potential.
Ist das Fernziel 80 Prozent Einsparung bis 2035 aus Ihrer Sicht zu erreichen?
Müller: Es ist machbar. Aber nur, wenn man dabei groß denkt und handelt und nicht nur sporadisch in den einzelnen Gemeinden. Wir müssen bis 2035 weg von allen fossilen Energieträgern, sonst sind die 80 Prozent nicht umzusetzen. Dafür braucht es Sanierungen und Renovierungen und das kostet Geld.
Indorf: Wir wollen den Kirchenkreisen vermitteln, dass der landeskirchliche Auftrag ein großer Aufbruch ist und wir das nur gemeinsam schaffen können. Idealerweise mit der Überzeugung, dass so ein Auf- und Umbruch auch Spaß machen kann. Wie das Aufräumen auf dem heimischen Dachboden: Klarschiff machen, Neues aus Altem entstehen lassen.
Müller: Uns ist dabei bewusst, dass diese Arbeit auch ganz schön hart und intensiv sein kann. Es geht nun mal am Ende auch um Verzicht und der ist bei den meisten Menschen negativ aufgeladen.
Wir sprechen über das Fernziel 2035. Wie lautet das Nahziel?
Müller: Im April 2025 muss das Klimaschutzkonzept bei der Fördermittelstelle ZUG (Zukunft – Umwelt – Gesellschaft) eingereicht werden. Danach geht es um die Umsetzung.
Indorf: Die Gemeinden arbeiten daran schon aktiv mit, indem sie sich innerhalb ihrer Gremien austauschen, Ideen sammeln, mit ihren Konfirmanden über das Thema diskutieren. Wichtig wäre es, an den geplanten Vernetzungstreffen teilzunehmen und sich auch da aktiv einzubringen. Ansonsten sind wir auch jetzt schon jederzeit zu erreichen, um über mögliche Maßnahmen oder Ideen zu sprechen oder bei der Umsetzung zu unterstützen.
(Foto: Alex Raack)