Zufrieden unter dem Weinstock sitzen
In diesen Tagen ist Erntezeit. Seit dem Spätsommer beschenkt uns unser kleiner Garten mit Obst und Gemüse. Die Freude ist groß, wenn neue Früchte sichtbar werden. Da wird schon mit Vorfreude geschaut, wie der Kochplan aussehen kann, wenn bestimmtes Gemüse und Früchte reif werden. Denn frische Früchte - wenige Stunden vor dem Verzehr geerntet - sind die leckersten! Mit der Ernte sind auch gute Gefühle verbunden. Das Geerntete ist natürlich „bio“, dieses hat man im eigenen Garten selbst in der Hand. Neben der Freude gibt die Ernte Ruhe und Befriedigung. Man macht selbst die Erfahrung, die Natur beschenkt uns (mit etwas Zutun von unserer Seite) jedes Jahr von neuem. In und mit Gottes Schöpfung ist gut für uns gesorgt.
Ein gutes Gefühl bei der Ernte
Und da gibt es in der Nachbarschaft eine gute Sitte: man gibt ab, wenn man die Ernte selber nicht vollständig verarbeiten kann. So war ich letztes Wochenende zur Weinlese bei meinem Nachbarn eingeladen. Zunächst sah ich nur das dichte Laub und dachte: da ist nichts dran, das lohnt dieses Jahr nicht. Als ich aber die Leiter angestellt hatte, sah ich: die Lese wird dieses Jahr reichhaltiger als im Jahr davor. Es war ein gutes Gefühl, als sich der Eimer nach und nach mit den Trauben füllte.
Mit dieser Erfahrung wird für mich nachvollziehbar, dass in der Bibel der Zustand des Friedens und der Zufriedenheit als ein Sitzen unter dem Weinstock oder dem Feigenbaum bildlich ausgedrückt wird (Micha 4,4). Früher gab es an Häusern, auch in unseren Breiten, Lauben mit Wein berankt, in denen man im Sommer im Schatten sitzen konnte. Auch mein Nachbar hat seine Terrasse mit Weinreben überdacht, quasi eine natürliche Klimaanlage.
Gärten sind ein Ort der Freiheit
In letzter Zeit wird vermehrt Natur auch als störend empfunden. Ein Garten, der Arbeit macht, wird mit Rasen eingesät, oder schlimmer noch: geschottert. Andererseits sind besonders in großen Städten Kleingärten aktuell der große Renner, raus aus den kleinen Wohnungen. Zu Feierabend oder am Wochenende lockt dann das Grün des Gartens, im Herbst dann mit seinen Früchten. Es ist ein Ort der Freiheit. An frischer Luft nach getaner Arbeit genießt man sein Bier und wirft den Grill an. Ich wünsche allen Gartenbesitzern diese schönen Erfahrungen. Positive Naturerlebnisse geben uns Motivation, aktiv zu werden: Gottes Schöpfung bebauen und bewahren.
Der Celler Peter Kuhlmann ist Theologe und Buchautor