Mehr als 20 Jahre war Pastor Stefan Thäsler im Kirchenkreis Celle tätig, jetzt ist er der neue Pastor der Fabian-und-Sebastian-Kirche in Sülze. Ein Gespräch über lebensverändernde Erfahrungen in Hanstedt, 90 reisende Jugendliche aus Wietze und den Menschen als Beziehungswesen.
Stefan Thäsler, war Ihnen immer schon klar, dass Sie später mal Pastor werden würden?
Stefan Thäsler: Ganz und gar nicht. Nach meiner Konfirmation im Landkreis Nienburg hatte ich mit Kirche abgeschlossen, mir war das alles zu bürgerlich-spießig. Erst auf einer Jugendfreizeit mit 16 im kirchlichen Gästehaus in Hanstedt erfuhr ich, dass man christlichen Glauben auch ganz anders vermitteln und erleben kann. Nämlich bunt, frei und mit viel Tiefgang.
Welche Erfahrungen haben Sie damals gemacht?
Ich fand es inspirierend mit vielen unterschiedlichen jungen Menschen unter einem Dach zu leben. Später leistete ich dort meinen Zivildienst und stellte fest, was man alles mit Gott erleben kann. Und wie gut es den Menschen tat, die sich auf diese Gemeinschaft einließen. Besonders der Zivildienst in Hanstedt hat mein Leben verändert: Reparaturen im Haus, für Freizeiten mit 90 Teilnehmer*innen einkaufen, vor einer vollen Kirche sprechen, gemeinsam putzen – ich bin dort ein ganzes Stück erwachsener geworden. Und netterweise habe ich in dieser Zeit auch meine heutige Frau kennengelernt.
Wie sind Sie schließlich Pastor geworden?
Eigentlich war mein Plan, Diakon zu werden, dann entschied ich mich doch für das Theologiestudium in Mainz und Heidelberg – während meine Frau Diakonin wurde. 2000 absolvierte ich mein erstes Examen in Klein Hehlen, machte mein Vikariat in Winsen (Aller) und übernahm 2003 meine erste Pfarrstelle in der Gemeinde Wietze.
Sie blieben vier Jahre dort, welche Erinnerungen haben Sie an die Zeit?
Ich habe mich in Wietze auch als Jugendpastor verstanden, mein Vorgänger hatte in dieser Hinsicht großartige Arbeit geleistet. Ich durfte mit vielen tollen, originellen und begabten Jugendlichen zusammenarbeiten. Wir haben Theaterworkshops gestaltet, Filmgottesdienste initiiert, eine eigene Homepage aufgebaut und sind mit 90 Jugendlichen auf Freizeit gefahren.
2007 übernahmen Sie die Stelle in Wathlingen – und blieben dort Gemeindepastor bis 2020.
Auch das war eine besondere Erfahrung. In Wathlingen waren Tradition und Moderne beides stark vertreten. Dort, wo es mir gelungen ist, beide Seiten zusammen zu führen, hat mich das gleichzeitig herausgefordert und zufrieden gemacht. Zum Beispiel, wenn wir beweisen konnten, dass Band- und Orgelmusik sehr wohl gemeinsam in einem Gottesdienst funktionieren können.
Was hat Sie, der die Kirche einst als spießig und farblos wahrgenommen hat, diese Zeit gelehrt?
Dass es kaum eine gesellschaftliche Gruppe gibt, in der so viele unterschiedliche Formen und Stile den Glauben ausdrücken können – jedenfalls nach meiner Erfahrung. Diese Mischung und die damit verbundene Möglichkeit, die bunten Farben unseres Glaubens zum Leuchten zu bringen, faszinieren mich bis heute. Zum Beispiel bei unserem Gottesdienstformat „Aufatmen“, ein Abendottesdienst in neuer Form, wo der Pastor nicht im Talar auftritt, Bewegung in der Kirche ist und dadurch das gemeinsame Erleben geprägt wird. Oder die Arbeit mit KonfirmandInnen, die bei mir sehr auf das Erleben ausgerichtet war. Oder wenn ich selbst, der als Kind nicht mal in der Badewanne gesungen hat, mit Percussion und Gitarre Musik gemacht habe. Ich habe mir immer zum Ziel gesetzt, die Lebenserfahrungen der Menschen mit ihrem Glauben in Verbindung zu bringen. Beispielsweise bei der Konfirmation, wo wir die Kirche als Abflughalle eines Flughafens gestalteten, mit der Abflugtafel als Sinnbild für den neuen Lebensabschnitt der Konfis. Mehrwert für den Glauben schaffen – überall, wo mir das gelingt, macht es mich sehr glücklich.
Sie haben in den vergangenen Jahren als Paartherapeut in der evangelischen Lebensberatungsstelle Uelzen gearbeitet und werden das mit einer 25-Prozent-Stelle auch weiterhin tun.
Diese seelsorgerliche Beratungstätigkeit lässt mich unwahrscheinlich viel darüber lernen, wie Menschen ihr Leben bewältigen und wie verschieden die alltäglichen Probleme sind. Übrigens ohne die kirchliche Brille, denn auch wenn der Träger die evangelisch-lutherische Kirche ist, habe ich sehr häufig mit religionsverschiedenen Menschen zu tun. Nichts prägt unser Leben so sehr wie Beziehungen, deshalb empfinde ich diese Arbeit als spannend und erfüllend.
Zuletzt waren Sie als Springerpastor im Kirchenkreis Celle tätig, jetzt sind Sie der neue Pastor in der Fabian- und Sebastiankirche in Sülze, die Gemeinde gehört zum Kirchenkreis Soltau. Warum dieser Wechsel?
Ich habe es zuletzt vermisst, intensiver mit Menschen zusammenzuarbeiten, um dauerhaft etwas aufzubauen. Das geht eben nur in einem Gemeindepfarramt. In Sülze finde ich eine Gemeinde vor, die den dringlichen Wunsch geäußert hat, das Gemeindeleben sehr aktiv zu gestalten. Gemeinsam wollen sie eine Kirche für heute sein: innovativ, traditionsbewusst, kreativ.
Welche Ideale aus Ihrer prägenden Zeit im kirchlichen Gästehaus Hanstedt haben Sie bis in die Gegenwart gerettet?
Immer wieder nach neuen und frischen Formen des Glaubens suchen, mit unterschiedlichen Charakteren klarkommen, Menschen mit verschiedenen Begabungen zusammenbringen. In Sülze hat dieser Ansatz eine Tradition, in die ich sehr gut reinpasse.
Gibt es für einen Pastor auch ein Leben außerhalb der Kirche?
Muss es meiner Meinung nach sogar. Ich habe viele Freunde, die mit Kirche nicht viel anfangen können, aber natürlich verstehen wir uns trotzdem sehr gut. Das ist auch so eine Lehre aus den vergangenen Jahren: Lange Zeit nach meinen eher grauen Erfahrungen als Konfirmand stellte ich fest, dass der Pastor meiner Kindheit ein wunderbarer, liebevoller und kluger Mann war. Und dass Kirche schon damals viele Farben hatte, die ich nur noch nicht gesehen hatte.