Begegnung, die das Leben verändert
Wo ist Gott? Eine Frage, in tiefster Not hinausgeschrien oder der eher abgeklärte Versuch, das Geheimnis Gottes gedanklich zu begreifen.
Wo ist Gott gewesen in den vergangenen zwei Wochen in Kabul, und gerade vor kurzem, am letzten Donnerstag, bei den Terroranschlägen? Wo ist Gott gewesen bei der verheerenden Flutkatastrophe in unseren Bundesländern und in den anderen Teilen Europas; oder bei den schrecklichen Bränden in der Türkei und Griechenland, bei dem Erdbeben in Haiti; oder bei der weltweiten Corona-Pandemie, dessen Ende immer noch unabsehbar ist? Oder wo ist Gott gewesen im Zweiten Weltkrieg, dessen Beginn wir in den nächsten Tagen zum 82. Mal gedenken?
Warum greift Gott nicht ein?
Nach der Flutkatastrophe und den Bränden tauchte in den Medien immer wieder die Frage auf, warum Gott so etwas zulassen kann. Wo war Gott, als die große Flut kam? Wo war Gott, als Menschen in den Flammen ihre Häuser verloren? Warum greift Gott nicht ein? Ist Gott überhaupt jemand, der in den Lauf der Natur eingreifen will? Oder überlässt Gott die Natur sich selbst? Hat er dann aber noch ein Interesse an seiner Schöpfung, am Schicksal jedes Einzelnen von uns?
Wenn ich mir die Geschichten in Erinnerung rufe, die die Evangelien von Jesus erzählen, so fallen mir viele Begegnungen ein. Jesus begegnet Menschen, die in Not sind. Er begegnet Menschen, die krank und von der Gesellschaft ausgestoßen sind. Jesus begegnet Menschen, die Schuld auf sich geladen haben und nun keinen Ausweg mehr sehen. Menschen kommen zu ihm, die ihre Familienangehörigen verloren haben…
Die Begegnung mit Jesus verändert das Leben
Sie kennen diese Geschichten vermutlich auch. Vielleicht gehört eine dieser Geschichten zu Ihren Lieblingsgeschichten. In ihnen fällt auf: Keiner, der Jesus in seiner Not begegnet, bleibt nach dieser Begegnung unverändert! Die Begegnung mit Jesus verändert das Leben. Manchmal ist es eine neue Sicht-weise, die das Schwere zu ertragen hilft. Manchmal gibt eine neue Perspektive Mut, neue Kräfte zu mobilisieren. Manchmal tut es gut, Vergebung zu erfahren.
Wo ist Gott? Und die Bibel sagt uns: Jesus ließ keinen ungetröstet weggehen.
Intellektuell kann diese Antwort vielleicht nicht befriedigen. Es bleiben noch so viele Fragen quälend offen. Aber was wünsche ich mir denn, wenn es mir nicht gut geht? Dann wünsche ich mir jemanden, der in meiner Nähe bleibt, auch wenn es schwierig wird. Jemanden, der sich meiner Not aussetzt und nicht flieht, weil es um die letzten Fragen geht. Gott hält sich nicht heraus.
Wo ist Gott? Ich kann diese Frage nicht wissenschaftlich exakt beantworten. Ich kann nur sagen, wo ich ihn suche. Ich suche ihn bei den Leidenden und ich lasse mich anstecken von der Freude der Menschen, die in tiefster Not bei Gott Trost gefunden haben.
Pater Andreas Tenerowicz ist Pfarrer in der katholischen St. Ludwigkirche